Inner Demons
Eine amerikanische Biker-Geschichte
Work in Pogress
Schuld an dieser Geschichte ist Jon Bon Jovi. Was macht er auch ein Lied mit dem Titel 'Wanted Dead or Alive'?
Ich habe die Story laufen lassen, wo sie hin wollte. Und das ist manchmal ein Segen und manchmal ein Fluch.
Im Moment weiß ich nicht, was hier zutrifft. Aber vielleicht kann mich ja die Meinung anderer erhellen. Also keine Zurückhaltung bitte!
*****
Langsam und unsicher näherte sie sich von hinten dem
Motorrad mit dem mysteriösen Mann darauf. Er hatte ein Bein über den Sitz
gelegt und stützte sich mit dem anderen am Boden ab. In der Hand hielt er die
Gitarre, mit der er gerade eben den Biker niedergeschlagen und ihr so aus ihrer
ziemlich unangenehmen Lage geholfen hatte. Er schien sie zu stimmen.
„Warum hast du das getan?“, fragte sie, all ihren Mut
zusammennehmend. „Niemand sonst hat… mir geholfen.“
„Ich mochte seine selbstgefällige Fresse noch nie“,
brummte der Mann, ohne sich umzudrehen oder auch nur den Kopf zu heben.
Seine Stimme und seine ganze Art verursachten ihr eine
Gänsehaut. Er war sicherlich kein netter Mensch. Eigentlich genau die Sorte,
vor der ihre Mutter sie immer hatte warnen wollen. Aber auf der anderen Seite
hatte Mutters Liebling Brad sie hier - mitten im Nirgendwo - zurückgelassen.
Ohne Handy, Geld oder auch nur Klamotten.
Und warum? Weil sie nicht mit ihm hatte schlafen wollen.
Sonderlich nett war das ja wohl auch nicht.
Dieser Fremde war seit Tagen der Erste, der irgendwie
nett zu ihr gewesen war. Und er hatte keine Gegenleistung verlangt. Im
Gegensatz zu all den anderen. Aber…
„Wer bist du?“
Sie musste es einfach fragen. Es war wie in einem dieser
Hollywood-Streifen. Er hatte etwas… Unwirkliches an sich.
Anstelle einer Antwort änderte er seinen Griff an der
Gitarre und spielte einige Akkorde. Sie waren irgendwie vage vertraut. So als
müsste sie das Lied kennen. Aber es wollte ihr zunächst nicht einfallen.
Erst als er anfing zu… singen!
„I’m a
cowboy. On a steel horse I ride. I’m wanted dead or alive.”
“Du…” Für einen Augenblick war sie so verblüfft, dass ihr
die richtigen Worte nicht einfielen. „Du verarscht mich gerade, oder?“ Nur in
Gedanken fügte sie hinzu: ‚Wie die anderen…‘
Diesmal blickte er sie über die Schulter an. Knapp über
den Rand seiner Sonnenbrille hinweg traf sie der Blick aus diesen Augen, die
alles Mögliche in ihrem Körper auslösten. Nicht zuletzt ein wirklich greifbares
Gefühl von Bedrohung und Gefahr.
„Du hältst dich besser von mir fern, Kleines“, brummte er
nicht eben freundlich. „Ich war nicht nett zu dir, sondern so ziemlich das
Gegenteil davon gegenüber jemandem, den ich nicht mag. Du warst nur zufällig
dabei.“
Es war wirklich wie im Film. Und zwar in einem wirklich
Schlechten.
Im Fernsehen hätte Sherry spätestens jetzt genervt
umgeschaltet, weil ihr der obercoole Biker, der so offensichtlich eine Mischung
aus schwarzem Ritter und Axtmörder darstellen sollte, auf den Wecker gegangen
wäre.
Aber das war kein Film. Das war die beschissene Wüste in
Arizona und diese Freaks hier meinten all ihre Anwandlungen bitter ernst, wie
sie am eigenen Leib erfahren hatte.
Und dann war da noch etwas anderes. Etwas… anderes…
„Bitte… Mister“, flüsterte sie der Verzweiflung nah.
„Ich… Ich brauche Hilfe. Ich stecke hier fest und man lässt mich noch nicht mal
telefonieren, ohne dass ich die Beine dafür breit machen soll. Ich…“
Die völlige Hoffnungslosigkeit ihrer Lage brach nun so
richtig durch und Tränen strömten ihr über die Wangen. Wenn nicht einmal er ihr
helfen wollte…
„Was lässt dich glauben, ich würde weniger von dir
verlangen?“, knurrte er, von ihren Tränen offenbar unberührt. Wenn überhaupt
klang er sogar eher noch abweisender, als zuvor.
„Bitte,
Sir… Bitte!“ Auf
die Knie fallend streckte sie flehend die Hand nach ihm aus. Ihr Stolz hatte
die Behandlung der Trucker und Biker an diesem gottverlassenen, namenlosen Ort
im Nirgendwo schon beinahe nicht überlebt. Und nun nahm dieser Mann ihr auch
noch ihre Würde. Aber welche Wahl hatte sie sonst?
„Wenn sie mir helfen, dann… dann tu ich es…“
„Es?“ Der Funke von Emotion in seiner Stimme klang nicht
unbedingt wie Interesse, aber er war immerhin etwas.
„Alles. Was sie wollen…“
„Das schreiben wir auf deinen Grabstein, Kleines“,
grunzte er.
Er lehnte die Gitarre an sein Motorrad und stand auf.
Drohend ragte er vor ihr auf und erschien ihr mit einem Mal noch riesiger, als
zuvor. Und noch sehr viel bedrohlicher.
„Bist du wirklich so saudumm, Püppchen?“, schnauzte er
unvermittelt so laut, dass sie erschrocken zusammenfuhr. „Statt dich von einem
der fetten Trucker mal für ein oder zwei Minuten besteigen zu lassen oder ihm
einfach kurz die Flöte zu polieren, kommst du auf Knien zu mir gerutscht und
bettelst ausgerechnet mich
an, dir zu helfen?“ Sprachlos starrte sie zu ihm hinauf und ihr Gesicht
spiegelte sich in seiner Sonnenbrille.
„Ich sag dir das nur noch ein Mal: Kriech da rein und
lutsch irgendeinem Drecksack die Eier. Dann überleb…“
Beinahe jedes seiner Worte hatte sich angefühlt wie ein
Schlag ins Gesicht. Und als er sich abrupt unterbrach und unter seine Jacke
griff, rechnete sie damit, dass er genau damit nun in körperlicher Hinsicht
anfangen würde.
Das sich eine große, bösartig aussehende, schwarze Pistole
darin befand, als die Hand wieder erschien, war eigentümlicherweise beinahe
weniger schlimm.
Doch er richtete sie nicht auf Sherry, sondern auf etwas
oder jemand anderes.
„Einzige Warnung, Mutterficker!“, schnauzte er in die
gleiche Richtung. „Noch ein Schritt und ich schieß dir die Klöten weg.“
„Du has‘ mei‘m Bruder d‘n Kiefer g’broch‘n“, grunzte eine
männliche Stimme zur Antwort. Aber ihr fehlte die Schärfe. Dafür erkannte die
junge Studentin sie allerdings als eine derjenigen wieder, die sich ganz
besonders dafür ausgesprochen hatten, die hilflose Frau einfach auf einen Tisch
zu binden und als Lokalrunde zu betrachten. Unwillkürlich warf sie sich
vorwärts und umklammerte schutzsuchend das Bein des Bikers.
„Was’n das“, höhnte der neu hinzugekommene Mann daraufhin
abfällig. „Mad Dog Malloy, der Nutt‘nschlitzer, macht jetz‘ ein’n auf
Bodyguard?“
Nuttenschlitzer? Sherry erstarrte.
Seit Wochen suchte die Polizei bundesweit einen Mann, der
sechs Prostituierte ermordet haben sollte. Mit einem Messer. Die Medien hatten
ihn Mad Dog getauft, weil man ihn als geistesgestört betrachtete und mit einem
tollwütigen Tier verglich.
Und dennoch. Als sie vorsichtig am Körper des Mannes über
ihr hinaufblickte, wirkte er völlig ruhig und beherrscht. Sehr bedrohlich, aber
nicht irre. Und dann war da noch das unerklärliche Gefühl von Sicherheit, dass
er ihr gerade vermittelte. Sicherheit vor einem Mann, der sie vielleicht - nur
vielleicht - nicht töten wollte. Aber er wollte ihr ganz sicher Schlimmeres
antun.
„Irgendwann, Malloy“, unterbrach der andere Mann ihren
Gedankengang. „Irgendwann bin ich hinter dir…“
Mit diesen Worten zog er sich rückwärtsgehend zum Gebäude
zurück und verschwand darin. Erst dann steckte der Biker seine Waffe wieder weg
und blickte anschließend zu der Frau an seinem Bein hinunter.
„Und?“, knurrte er „Soll ich dir immer noch helfen?“
Ihr Nicken kam ohne das geringste Zögern. Erst danach
explodierten all die kleinen, warnenden Stimmen der Vernunft in ihrem Kopf in
einem kollektiven Aufschrei der Verzweiflung.
Malloys Miene zuckte nur kurz. Zu kurz um auszumachen,
welche Regung da über seine Miene gehuscht war. Und die Sonnenbrille verbarg
alle anderen Gefühle sehr effektiv.
Kalt und abweisend starrten die verspiegelten Gläser auf
sie hinab. Lange tat und sagte er gar nichts.
Als er sich dann umdrehte, geschah es so abrupt, dass
Sherry den Halt verlor und in den Staub fiel. Im nachsehend schwankte sie
zwischen ein wenig Erleichterung und sehr viel stärkerer Verzweiflung.
Was war nur los mit ihr? War es denn besser sich
aufschlitzen zu lassen, als vergewaltigt zu werden?
Ohne es verhindern zu können fing sie wieder an zu
schluchzen und sah dem Biker dabei zu, wie er die Gitarre verstaute und auf
sein Motorrad stieg. Mit dem Fuß klappte er die Stütze ein und ließ den Motor
der Maschine an. Und dann… tat er nichts weiter. Nur die verspiegelten
Brillengläser wandten sich in ihre Richtung.
Als säße ihr der Teufel im Nacken sprang die junge Frau
auf und rannte zu dem Mann hin, während der letzte Funke Vernunft in ihrem Kopf
sich fragte, ob sie da nicht gerade eher dem Teufel in die Arme lief.
Kaum saß sie eben so hinter ihm und klammerte sich
haltsuchend an seinen Rücken, raste er auch schon los.
Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte Sherry auf einem
Motorrad gesessen. Und hätte man ihr erzählt, sie würde sich eines Tages mit
aller Kraft an einen ledertragenden Biker und gesuchten Frauenmörder klammern,
während dieser viel zu schnell über einen Highway in Arizona raste und dabei
auch noch ein eigentümliches Gefühl von Sicherheit verspüren, hätte sie diese
Art von Scherz ganz bestimmt nicht witzig gefunden.
Aber nun, da sie sich in genau dieser Situation befand,
waren ihre Gedanken mit ganz anderen Dingen beschäftigt als der Qualität von
Scherzen.
Das Leben der jungen Kunststudentin hatte sich in den
vergangenen drei Tagen sozusagen in Wohlgefallen aufgelöst. Es hatte einfach
Puff gemacht und nichts war mehr, wie es sein sollte.
Anstelle eines Wochenendtrips mit ihrem Langzeitfreund
und einem langerwarteten, ersten Mal in einem romantischen Hotel, war sie von
Brad in ein verwanztes Motel mitten in der Wüste geschleppt worden, wo er ihre
Weigerung mit ihm zu schlafen damit quittierte, dass er seine Sachen packte und
abfuhr. Allein.
Und als sie sich hilfesuchend an den Motelbetreiber
wandte, hatte dieser keinen Zweifel daran gelassen, dass er sie nicht einmal
telefonieren lassen würde, wenn sie ihm nicht sexuell zu Willen wäre. Ebenso
wie alle anderen Männer in dem moteleigenen Truckstop es gehalten hatten.
Ihre entrüstete Weigerung hatte die Männer zunächst
amüsiert. Aber nach einer Weile war die Stimmung gekippt und der Vorschlag war
gemacht worden, sie einfach zur allgemeinen Verwendung auf einen Tisch zu
fesseln. Und ihre Drohung mit der Polizei hatte schließlich nur dazu geführt,
dass einer der Männer sie mit einer heftigen Ohrfeige in eine Ecke beförderte,
um danach…
Fest presste Sherry die Augen zusammen und versuchte die
Tränen zurückzuhalten, als sie sich in allen Details daran erinnerte, wie der Mann
seine Hose geöffnet und seinen Penis herausgeholt hatte. Noch einmal durchlebte
sie all die Schattierungen der Panik vor dem, was ihrer Meinung nach folgen
würde. Inklusive der schockierten Ungläubigkeit, als es beinahe noch schlimmer
kam. Als er… er sich unter dem Gejohle der anderen einfach auf sie entleerte.
Aber dann war der Mann namens Malloy aufgestanden, hatte
seine Gitarre gegriffen und beinahe beiläufig ihren Peiniger niedergeschlagen.
Ohne sich auch nur noch einmal umzusehen, war er dann einfach hinaus gegangen.
War dieser Mann ein Frauenmörder?
Sie konnte es sich nicht vorstellen.
Aber war das nicht immer so mit Psychopathen? Wirkten die
nicht immer völlig normal, bevor sie durchdrehten?
Nun… Normal wirkte dieser Mann allerdings ganz und gar
nicht. Alles an ihm schien beinahe wie eine verdrehte Kopie von Clint Eastwood.
Nur das er nicht einfach so tat. Er meinte sein Verhalten offenbar völlig
ernst.
Und… es wirkte.
Wie die kleine sechsjährige Sherry vor dem Fernseher
Eastwood angehimmelt hatte, egal welchen Bad Boy er gerade spielte, klammerte
sich die knapp zwanzigjährige Sherry jetzt an seinen Nachahmer. Oder war er ein
Klon?
Gedankenverloren bemerkte sie die sich verringernde
Geschwindigkeit erst, als das Motorrad beinahe stand.
Erschrocken blickte sie sich um, sah aber rein gar
nichts. Nur die Straße, die Wüste und einen einfachen, handbetriebenen Brunnen
am Straßenrand.
Warum hielt er hier an? Wollte er… sie loswerden? Oder
Schlimmeres…?
„Absteigen, Püppi“, brummte er ungehalten.
„Bitte…“, wimmerte sie und klammerte sich noch fester an
ihn. „Bitte…
Nicht…!“
„Absteigen!“, schnauzte er so laut und aggressiv, dass
ihr Körper ganz ohne ihr bewusstes Zutun reagierte. Unvermittelt stand sie
hinter der Maschine.
„Ausziehen.“
Nicht einmal mehr ein erschrockenes Kieksen kam aus ihrem
offen stehenden Mund, als sie ihn entgeistert anstarrte.
„Aus - zieh - hen“, grollte er so dunkel, dass es beinahe
klang, wie das Knurren eines Wolfes. Oder eines Hundes. Eines tollwütigen…
Als er auf sie zu schnellte, konnte Sherry nur noch
schreien. Sie hatte nicht vergewaltigt werden wollen, aber sterben wollte sie
auch nicht.
Wild um sich schlagend versuchte sie, ihn abzuwehren.
Aber seine riesige Hand packte ihren Nacken mit stählernem Griff und riss sie
mit sich. Ihre unkoordinierten Schläge schienen ihn nicht im Geringsten zu
beeindrucken. Ebenso wenig wie ihre verzweifelten Hilferufe.
Sie verstummte erst, als der erste Schwall des
überraschend kalten Wassers auf ihren Körper traf.
Als die unkontrollierte Gegenwehr abrupt aufhörte, ließ
er von ihr ab und starrte auf sie hinab.
„Du stinkst wie eine Jauchegrube. Sogar gegen den
Fahrtwind.“
„Hättest …“ Mit einem Mal war sie entsetzlich wütend auf
den Mann, der so mit ihren Gefühlen spielte und sie in Todesangst versetzte.
„Hättest du das nicht einfach… sagen
können?“
„Hab ich gerade“, grunzte er, aber sein Mundwinkel zuckte
beinahe, als würde er sich ein Lachen verkneifen. „Und jetzt zieh die
vollgepissten Klamotten aus. Ich geb dir ein Hemd.“
Dieser Mann machte die, sonst gewiss nicht auf den Mund
gefallene, Sherry sprachlos. Aber noch schlimmer als das war die seltsame
Macht, die seine Worte über sie zu haben schienen. Oder weswegen kam ihr der
Gedanke an Scham erst, als sie ihr Oberteil mitsamt dem BH schon abgestreift
hatte? Und wieso überhaupt auch den BH?
Erst sehr verspätet kam ihr der Gedanke, ihre Blöße mit
den Händen zu bedecken.
„Mach dich nicht lächerlich“, grunzte er beiläufig,
während er in einer seiner Gepäcktaschen kramte. „Ich hab ne Tochter in deinem
Alter.“
„Du hast… eine Tochter?“ Wenn das mal keine völlig
unmögliche Vorstellung war. „Eine zwanzigjährige Tochter?“
„Zwanzig, huh? Siehst eher aus wie ne magere
Fünfzehnjährige mit deinen kleinen Tittchen.“
Ihn sprachlos anstarrend bemerkte sie, wie ihr die Röte
auf die Wangen kroch. Aber wirklich unmöglich daran war, dass es weniger
Empörung als Scham darüber war, auf ihn wie ein kleines Mädchen zu wirken.
Als sie richtiggehend trotzig die Hände von ihren Brüsten
nahm, war da ein beinahe losgelöster Teil ihres Verstandes, der aufstöhnend die
Waffen vor dem, ihm völlig unbekannten, dummen Mädchen streckte, in dessen
Körper er feststeckte. Aber das ignorierte sie natürlich.
Stattdessen reckte sie dem gesuchten Frauenmörder nicht nur
ihr Kinn trotzig entgegen, sondern auch ihre kleine, aber ja wohl nicht
mickrige Oberweite.
„Du hast nen Knall“, grunzte er nur und für einen Moment
war sie sich fast sicher, dass er lachte.
Vielleicht knallten ihr deswegen auch die letzten
Sicherungen durch. Denn anders konnte sie sich später nicht erklären, weswegen
sie aufstand und sich in einem Rutsch ihre Shorts mitsamt dem Höschen hinab
zog, um sich danach beinahe in Pose zu werfen und ihn noch trotziger
anzustarren.
„Keine Haare an der Pussy, aber schon Schlampe spielen
wollen, hm?“
Offenbar hatte er gefunden, was er suchte, denn er wandte
sich ihr mit einem Kleidungsstück in der Hand zu und musterte sie nun
eingehend.
Und obwohl ihr bei seinen Sprüchen nicht nur die Spucke
wegblieb und sie sich immer noch mehr schämte, hoffte sie unvernünftigerweise
trotzdem, dass ihm doch irgendwie gefallen könnte, was er zu sehen bekam.
„Du hast wirklich keinen Funken Selbsterhaltungstrieb,
oder?“, fragte er nun sehr ernst. Zum ersten Mal seitdem sie ihn kannte nahm er
die Brille ab und blickte sie direkt an. Und er hatte unglaublich helle Augen…
„Hast du nicht zugehört, was diese jämmerliche
Inzestgeburt vorhin gesagt hat? Oder willst du einfach nicht glauben, dass ich
ein halbes Dutzend Frauen umgebracht habe?“
Langsam drang die Absurdität der Situation durch ihren
Trotz und das vorgereckte Kinn fing als erstes an zu zittern, als ihr ein
weiteres Mal die Tränen in die Augen stiegen.
„Lieber Gott, Mädchen…“, seufzte er beinahe resigniert
und kam langsam auf sie zu. Diesmal wirkte er ganz und gar nicht bedrohlich,
sondern eher besorgt, was den Tränenfluss unglücklicherweise noch verstärkte.
Und als er sie völlig unerwartet in den Arm nahm, brachen
schließlich alle Dämme. Nur schwer könnte sie durch ihr eigenes, hemmungsloses
Schluchzen seine nächsten Worte verstehen, während sie sich voller Verzweiflung
an ihn klammerte.
„Was soll ich nur mit dir machen, Kind? Du verstehst ja
nicht mal die allerdeutlichsten Warnungen. Wahrscheinlich würdest du einem
Kojoten, der dich nachts anknabbern will, noch dabei helfen dein Bein
zuzubereiten und es ihm schön würzen.“
„Du bist kein tollwütiger Hund“, presste sie daraufhin
mühsam hervor. Warum auch immer es ihr gerade so wichtig war, ihn das wissen zu
lassen.
„Vermutlich nicht“, murmelte er und löste sich dann ein
wenig von ihr, um ihr Gesicht in die Hände nehmen zu können. Eindringlich und
mit sehr ernstem Blick sagte er dann: „Aber ich habe diese Frauen getötet. Und das sollte dir wirklich
Sorgen bereiten.“
Die Worte erreichten Sherrys Ohren. Und irgendwie auch
ihren Verstand, in dem der verbliebene Rest Vernunft besorgt aufstöhnte. Aber
er versuchte gar nicht erst, sich noch einmal Gehör zu verschaffen. Die
unsägliche Göre, mit deren Wohlergehen auch das Seine unglücklicherweise
verknüpft war, leistete sich nämlich bereits die nächste Aktion, bei der nicht
nur eine Vernunft sich nur noch matt vor den Kopf schlagen konnte.
Statt vor dem Mann zurückzuweichen, der sich gerade
selbst ganz offen und ruhig zum Mord an einigen jungen Frauen bekannt hatte,
beugte sich die junge Studentin, die von vielen ihrer Bekannten offenbar
fälschlicherweise für intelligent gehalten wurde, nämlich vor. Ihre Augen
schließend suchte sie mit ihrem Mund nach seinen Lippen und berührte sie sachte.
Sie küsste ihn…!
Beinahe wie von einem Skorpion gestochen führ Malloy
zurück, nachdem er für einen kurzen Moment von ihrem Blick gefangen gehalten
worden war. Seine Hände verließen ihre Wangen und schoben sie an ihren
Schultern auf Abstand.
„Himmelarsch! Mädchen!“, brüllte er verblüfft. „Bist du völlig
bescheuert?“
„Ich bin fast eine Frau…“, murmelte sie unwillig und wich
seinem Blick nun aus.
„Fast? Fast?“,
platzte er etwas schrill heraus.
„Brad war nicht der Richtige“, nuschelte sie etwas
undeutlich und fühlte sich dabei sonderbar leicht. „“Das weiß ich jetzt…“
„Hast du gekokst oder nen Sonnenstich?“
Er stockte kurz und betrachtete ihr gerötetes Gesicht und
ihre hellen Haare. Vielleicht, ging ihr durch den Kopf, mochte er ja wenigstens
die.
„Scheiße… Du hast
nen Sonnenstich.“
Irgendwie fand Sherry es beruhigend, dass er sie wieder
in den Arm nahm - ja sogar hochhob. Und dann wusste sie erst einmal für eine
Weile gar nichts mehr.
Das prägnanteste Gefühl beim Aufwachen waren
Kopfschmerzen. Rasende, bohrende, ziehende, stechende Kopfschmerzen.
„Ohh Gott“, wimmerte sie, als der Schmerz immer weiter
zunahm, statt langsam abzuklingen.
„Trink das“, murmelte eine autoritär klingende Stimme und
jemand hielt ihr eine Flasche an die Lippen. Das Wasser war nicht kalt, aber
für den Moment war das bedeutungslos. So durstig hatte sie sich noch nie
gefühlt.
Der fremde Mann - ein Arzt vielleicht? Hoffentlich! -
zwang sie, nur in kleinen Schlucken zu trinken. Aber irgendwann ließ das Brennen
in ihrer Kehle dennoch nach.
„Aspirin?“, flüsterte sie leise.
„Kaum“, lautete die Antwort.
„Bitte?“
„Wenn ich welches hätte…“
„Was…?“, wollte sie aufbrausen, aber ihr Kopf bremste sie
sehr schnell aus. Sie versuchte es leiser: „Was ist das für ein Krankenhaus?“
Das antwortende Grunzen mochte als Lachen durchgehen,
wenn man es nicht zu genau nahm. Aber was war so lustig?
Mühsam öffnete Sherry ein Auge ein ganz klein wenig und
starrte an einem vage vertrauten Gesicht vorbei in den sternenklaren Himmel.
Und dann fiel ihr wieder ein, in welch misslicher Lage sie sich befand.
„Ohhh Gott!“, stöhnte sie.
Als ihre Hand auf dem Weg von ihrer Seite zu ihrem Kopf
ihren Oberkörper streifte, gesellten sich weitere Sorgen zu der ohnehin schon
beeindruckenden Aufstellung hinzu.
„Warum bin ich… nackt?“
„Weil deine Klamotten noch nach Pisse stinken.“
„Meine… was? Oh… Ohh… Nein…“
Weitere Erinnerungsfetzen kehrten zurück und sie gehörten
nicht zur angenehmen Sorte. Am liebsten wäre die junge Studentin wieder zu
diesem angenehmen Traum von dem kräftigen, mysteriösen Fremden zurückgekehrt,
den sie gerade hatte küssen…
„Ohhh… Nein!“
Der Versuch sich ruckartig aufzurichten brachte ihr zwei
Dinge ein. Zunächst war da eine schwere, raue Hand mitten auf ihrer linken
Brust, die sie wieder nach unten drückte und zum anderen waren da
Kopfschmerzen, die so unwahrscheinlich stark anschwollen, dass sie einfach
schreien musste.
Als dritte Sache mochte durchgehen, dass der Schrei von
einem entfernt klingenden, bellenden Jaulen beantwortet wurde, dass ganz und
gar nicht nach zahmem Haustier klang, sondern her nach wilder, blutrünstiger
Bestie.
Aber apropos ‚blutrünstig‘…
„Konnten sie mir bitte sagen, dass ich nur geträumt habe,
mit einem Frauenmörder unterwegs zu sein? Danke.“
„Der Teil ist wahr…“
„Oh… Na dann…ist ja alles gut. Ich liege dann also nackt
neben einem Frauenmörder, der seine Opfer gerne aufschlitzt und den ich zu
küssen versucht habe, nachdem ich ihm eine komplette Peepshow geboten habe.
Wenn sie es dann vielleicht bitte einfach tun könnten, damit ich aufhören kann,
mich zu schämen.“
Ganz tief in ihrem Inneren war sich Sherry bewusst, dass
sie noch immer nicht ganz klar bei Verstand war. Und ein leises, geistiges
Klatschen vermittelte ihr ein Bild von einer personifizierten Vernunft in ihrem
Schädel, die sich mit der Hand vor die Stirn schlug. Aber auf der anderen Seite
war genug auch einfach genug. Sie konnte nicht mehr. Es reichte.
„Ich denke nicht“, lautete die indifferente Antwort.
„Oh und warum nicht? Bin ich nicht hübsch genug für die
Ansprüche des Herrn Mörders?“
Sich auf die Zunge zu beißen kam als Idee eine Nuance zu
spät und woher das
jetzt gerade gekommen war und warum es bitter und eingeschnappt geklungen
hatte, blieb als Frage in ihrem eigenen Kopf ein unbeantwortetes Echo.
„Wenn du mir dein Ehrenwort gibst, dass du mich mit
dieser Sache ab jetzt in Ruhe lässt, dann verrate ich dir, dass ich dich in
Wahrheit wirklich bildhübsch und auch nicht mickrig finde. Sogar deine kleinen
Titten sind genau richtig so, wie sie sind. Okay?“
Es klang resigniert. Aber nicht unehrlich. Und Sherry
schaffte es wieder nicht sich schnell genug zu beherrschen, bevor sie ein wenig
zufrieden mit dem Oberkörper gewackelt hatte und ihr ein „Mmh… Ja. Okay…“
entschlüpft war.
„Du bist wirklich…“
„Ein wenig neben der Spur?“, schlug sie vor.
„‘Völlig irre‘ triffts eher.“
Die darauf folgende Stille dauerte nur einen Moment,
bevor ihr Mund sich schon wieder schneller in Bewegung setzte, als sie ihn
aufhalten konnte.
„Malloy?“
„Ja?“
„Wie heißt du richtig? Mit Vornamen meine ich.“
„Wieso? Passt Mad Dog nicht zu mir?“
„Doch. Schon… Äh… Ich meine… Es passt zu… Also…“ Hilflos
kam sie ins stammeln und verhaspelte sich nur noch mehr.
„James“, unterbrach er dankenswerter Weise das kleine,
kommunikative Desaster.
„Mmh… James Malloy. Das gefällt mir…“, schnurrte sie
zufrieden und gab innerlich einfach auf zu versuchen, ihr eigenes Verhalten zu
verstehen. Offenbar war sie in einer Art Fieberwahn gefangen.
„James?“
„Ja?“
„Ich heiße übrigens Sherry“, verkündete sie nach der
nächsten, kleinen Gesprächspause. „Nicht Püppi, Mädchen oder Kleines. Aber wenn
du willst, kannst du Kleines weiter benutzen. Und vielleicht auch manchmal
Püppi. Wie du es sagst klingt es so… irgendwie so…“
„Abfällig?“
„Anzüglich!“
„Und das gefällt
dir?“
„Nein…“, murmelte sie. „Doch… Ja. Irgendwie schon…“
„Du bist wirklich ganz schön bescheuert.“
„Mmh-hm“, stimmte sie zufrieden zu und fragte sich nicht
einmal, wie dämlich das jetzt eigentlich war.
„James?“, durchbrach sie kurz darauf wieder die Stille.
„Satan gib mir Kraft“, grunzte er und fügte dann ein ganz
klein wenig netter hinzu: „Ja?“
„Satan? Uhh… Wie böse“, kicherte sie nur etwas albern.
„Der Andere redet nicht mit mir.“
„Mit mir auch nicht.“ Beruhigend tätschelte sie seine
Hand. „Und ich habe niemanden umgebracht.“
„Hoffentlich geht das wieder vorbei“, murmelte er mehr zu
sich selbst. „Sonst musst du in ein Krankenhaus. Oder eine Anstalt.“
„Mmh… Was ich eigentlich fragen wollte…“ Seinen Kommentar
ignorierte sie gepflegt. „Warum liegt deine Hand immer noch auf meiner…?“ Sie
zögerte und musste dann wieder kurz kichern. „Meiner… Titte?“
„Shit!“, fluchte er und wollte die Hand wegziehen, wie
von einer heißen Herdplatte. Aber Sherry hielt sie mit all dem bisschen Kraft
fest, dass sie aufbringen konnte.
„Nicht! Bitte! Es ist… schön… So warm und… schön.“
„Du bist im Delirium, Mäd…“
„Ah-ah!“
„Püppi!“ Er spuckte das Wort beinahe aus und sie
erschauerte.
„Das ist so erniedrigend, wie du das sagst…“
„Und deswegen solltest du es eigentlich abstoßend finden
und nicht anziehend. Du sendest damit eindeutig die falschen Signale, Kleines.“
„Das wiederum klingt sooooo…
wunderbarhimmlischbeschützungsvoll.“
Sein Grunzen war mit beinahe absoluter Sicherheit ein
unterdrücktes Lachen.
„Und es ist okay, dass es erniedrigend ist, James“,
erklärte sie voller Ernst. „Meine Würde und mein Stolz sind irgendwann vor
einiger Zeit zusammen mit der… Pisse von einem Arschloch in den Abfluss gespült
worden. Und jetzt bin ich nur noch eine Hure…“
„Blödsinn!“, schnauzte er barsch.
„Doch. So nennt man Frauen, die ihren Körper für etwas
verkaufen. Und ich verkaufe ihn für einen Weg hier raus.“
„Du …“, setzte er an, aber sie unterbrach ihn gleich
wieder.
„Nein warte. Ich verschenke ihn lieber, weil du Huren ja
nicht so gerne magst. Und vielleicht schenkst du mir dafür eine
Mitfahrgelegenheit?“ Sie überlegte kurz. „Gilt das? Oder ist es trotzdem ein
Geschäft, wenn man vorher abspricht, sich sowas gegenseitig zu schenken?
Ohh! Ich weiß! Ich schenke dir meinen Körper und verlange
gar nichts dafür. Und wenn du mich nicht mitnimmst, ist mir das egal, weil…
weil…“
Ohne das sie auch nur selbst bemerkt hätte, wieso oder
wann, spürte Sherry Tränen über ihre Wangen laufen.
„Lass mich bitte nicht als Jungfrau sterben, James“,
wimmerte sie dann. „Bitte nicht!“
Nur eine einzige Sache nahm sie noch bewusst wahr, bevor
sie ohne Vorwarnung wieder in eine Mischung aus Ohnmacht und Schlaf glitt. Und
diese eine Sache war der warme, große, starke Körper, der sich neben sie legte
und sie in die Arme schloss.
Und wie gut sich das anfühlte. Viel besser als bei James…
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Ungefähr zur gleichen Zeit versuchte Jesse Taylor noch
immer, seinen gekränkten Stolz mit möglichst viel Bier zu verarzten. Seinen
Bruder hatte er zusammen mit Cousin Ted zum Arzt gebracht und danach war er zum
Truckstop zurückgekehrt, denn es war der einzige Ort, an dem es auch so spät
noch Bier gab.
Missmutig dachte er über all die Dinge nach, die er dem
Flachwichser von Malloy antun würde, wenn der ihm in die Finger fiele.
Vorzugsweise unbewaffnet und gerne auch schon gefesselt oder wenigstens schwer
verletzt.
Als sein Blick auf den leise im Hintergrund vor sich hin
flimmernden Fernseher fiel, spuckte er in hohem Bogen den Schluck Bier aus, den
er gerade aus der Flasche genommen hatte.
Auf der Mattscheibe zeigten die verfickten Nachrichten
gerade ein verficktes Bild von der verfickten Schnalle, die noch vor wenigen
Stunden hilflos im Lokal herum geeiert war. Und man musste verfickt noch mal
nicht lesen können, um die fünf mit den vier Nullen und dem Dollarzeichen
dahinter zu erkennen.
„Ed!“, schnauzte er den Barkeeper an, „Dreh d‘ Kist‘ m‘l
laudr!“
„…von
Unbekannten entführt, die der Aussage des einzigen Zeugen nach als Motorradgang
betrachtet werden müssen“, ertönte es kurz darauf aus dem
altersschwachen Gerät. „Die
Familie des Opfers war bis zur Stunde noch zu keiner öffentlichen Stellungnahme
bereit, ließ jedoch über einen Mittelsmann bekannt machen, dass eine Belohnung
von zehntausend Dollar für sachdienliche Hinweise gezahlt werden würde, die zur
Rettung der jungen Frau führen würden. Und sollte jemand - ganz gleich ob nun
ein Biker oder ein aufrechter Bürger, der ‚seiner treuen Bürgerpflicht
nachkommen wolle‘ - die Vermisste lebendig den Behörden übergeben oder sich bei
einem der Radiosender in Arizona mit ihr einfinden, dann würde die Belohnung
sogar verfünffacht.
Ein Polizeisprecher
stellte die Herangehensweise der Familie …“
Die Stimme des Nachrichtensprechers verhallte, als Jesse
selbst den Ton wieder leiser drehte.
„Da brat mir einer nen Storch“, grunzte der Barmann
ungläubig. „Die Kleine war fünfzig Riesen wert und wir ha’m se‘ einfach abhauen
lassen.“
Jesse nickte abwesend. Er war mit den Gedanken bereits
einen Schritt weiter und formte einen verwegenen Plan.
Natürlich wäre es niemals in Frage gekommen, den Bullen
zu stecken, wo sie Malloy finden konnten. Schließlich wollte niemand die
Aufmerksamkeit der Behörden auf die eigenen Leichen im Keller richten. Aber ein
Kopfgeld für eine Außenseiterin? Nein. Einen Finderlohn!
Schnell zählte er mit Hilfe seiner Finger durch, welche
seiner näheren Verwandten für ein paar Riesen dabei helfen würden, sich das
Mädchen zu schnappen. Es waren genug, um mit Malloy fertig zu werden. Mit etwas
Glück schlug er so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.
Kaum eine Minute später war Jesse Taylor auch schon auf
dem Weg zu seinem Pickup.
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Für die große Diamant-Klapperschlange war es ein höchst
beschissener Tag gewesen.
Erst hatte ein dämlicher Adler sie mit einer leichten
Beute verwechselt und dann hatte das Mistvieh die Dreistigkeit, sich erst
beißen zu lassen, als es sie bereits hoch in die Luft getragen hatte. Der
anschließende Absturz hatte das robuste Reptil ziemlich mitgenommen.
Gelandet war sie zwar weiterhin in der Wüste, aber auf
einer irritierend harten und festen Oberfläche. Es hatte eine Weile gedauert,
bis sie sich wieder von ihrer Benommenheit erholt hatte.
Das seltsame, laute und große Tier mit den schwarzen
Füßen hatte sie erst bemerkt, als es schon fast über ihr war. Und es hatte sich
nicht nur überhaupt nicht um ihr drohendes Rasseln geschert, sondern war auch
noch direkt über ihr Schwanzende getrampelt, bevor es viel zu schnell für einen
Angriff wieder verschwand.
Angeschlagen und ihrer prächtigen Rassel beraubt, hatte
die Schlange sich daraufhin von dem schmalen, gefährlichen Band seltsamer
Beschaffenheit aus wieder in die Wüste geschleppt und war natürlich vom
Einbruch der Nacht und der damit einhergehenden Kälte überrascht worden, bevor
sie einen Unterschlupf gefunden hatte.
Müde, gereizt und schwer verletzt hatte sie erst nach
Stunden endlich einen flachen, weichen Felsen gefunden, der Wärme ausstrahlte
und sich als Ruheplatz anbot.
Aber selbstverständlich hatte an einem Tag wie diesem
auch dann noch alles schiefgehen müssen.
Kaum war sie nämlich zur Ruhe gekommen, ertönten
plötzlich krächzende Laute von irgendwoher und der Felsen erwies sich als
ruhendes, seltsames Tier und geriet in Bewegung.
Wie selbstverständlich wollte die Schlange mit ihren
Hornschuppen warnen. Aber sie erzielte keine Reaktion und die Bewegungen
irritierten sie zunehmend. Das ihre Rassel gar nicht mehr existierte, kam ihr
überhaupt nicht in den Sinn.
Sie wählte den einzigen Ausweg, den die Natur ihrem
kleinen Reptilienhirn für eine Situation wie diese einprogrammiert hatte und
biss zu. Das ihr Kopf wenige Sekunden später dank einer stählernen Klinge
seinen Halt zu ihrem Körper verlor, bereitete ihr nicht mehr sehr lange
Kopfzerbrechen.
Wenigstens schmerzte ihr hinteres Ende nun nicht mehr.
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Sherrys Gemütszustand ließ sich mit ‚aufgelöst panisch‘
nur unzureichend beschreiben. Es war eher eine Art hysterischer Hilflosigkeit,
gepaart mit völliger Verzweiflung.
Unfähig still zu sitzen tigerte sie immer wieder neben
dem liegenden Mann auf und ab, der Teil ihrer misslichen Lage war. Nur Schuld
daran war er eigentlich nicht. Und trotzdem lag er nun ihretwegen im Sterben.
Eine Reihe von Schocks hatte ihren Kreislauf in der
letzten Stunde in Gang gebracht und obwohl ihr Kopf hämmerte, als würden drei
Jugendliche darin gleichzeitig ihre neuen Schlagzeuge ausprobieren, während im
Hintergrund jemand Tuba spielte und eine Squaredance-Gruppe versuchte, mit dem
Rhythmus Schritt zu halten, schien sie klarer denken zu können, als einige
Stunden zuvor.
Und das war nur eines ihrer Probleme.
Ihr friedlicher, sorgenfreier Schlaf war von einer
blechernen Stimme gestört worden, die vom Motorrad aus ertönte. Zusammen mit
Malloy, in dessen Arm sie sich offenbar im Schlaf gekuschelt hatte, als sei es
das Natürlichste auf der Welt, sich an einen Frauenmörder zu klammern, war sie
hochgeschreckt.
Bevor ihr verwirrter Geist allerdings hatte anfangen
können zu realisieren, was eigentlich los war, hatte der Biker sie grob zur
Seite gestoßen, geflucht und ein langes, bösartiges Messer gezückt. Und dann
hatte er… einer Schlange den Kopf abgeschlagen, die es sich an ihrer beider
Beine gemütlich gemacht hatte. Einer Schlange, die offenbar drauf und dran
gewesen war, die jungen Frau zu beißen.
Stattdessen hatte sie dann James erwischt, bevor er ihr
den Garaus gemacht hatte.
Ohnehin schon zu Tode erschrocken hatte sie sich dann nur
langsam von ihm beruhigen lassen. Und was der Fremde über das Funkgerät seinem
‚alten Freund‘ zu sagen hatte, war dabei keine Hilfe gewesen.
„Taylor tromm‘lt ‘n paar von seiner Brut z’samm’n um
fuffzig Ries’n Kopfgeld für ne Kleine einz‘streich’n, die du bei dir hab’n
sollst, Alt’r“, rasselte eine müde wirkende Männerstimme aus dem kleinen
Apparat. „Zieh lieb’r d’n Kopf ein.“
Selbst mit einem Sonnenstich konnte Sherry daraus
entnehmen, dass man nun nach ihr suchte. Und wenn es eine Belohnung gab, dann
war nicht nur ihre Mutter in die Sache verwickelt, sondern auch ihr Rabenvater,
der sich so eine Summe ohne Probleme leisten konnte.
Das wirklich schlimme an der Sache war, dass James ihr
für den Namen Taylor ein Gesicht geben konnte. Und es war genau das Gesicht des
Mannes, dem sie am allerwenigsten in die Hände fallen wollte. Nachdem sein
Bruder sie angepinkelt und er sich von ihrem finsteren Begleiter beinahe eine
Kugel eingefangen hatte, vertraute sie seiner Zurückhaltung ihr gegenüber kein
Stück weit.
Und ihr einziger Schutz war von einer verfickten
Klapperschlange gebissen worden. Warum musste an manchen Tagen einfach alles
schiefgehen?
Es half nicht viel, dass James eher ruhig blieb und sich
um den Mann namens Taylor wenig Sorgen zu machen schien. Und auch seine
minutiösen Anweisungen, wie sie das Funkgerät einstellen und einen Unbekannten
bitten sollte, zu ihnen beiden zu kommen, beruhigten sie nicht sehr.
Stattdessen malte sie sich aus, was passieren würde, wenn
sie von Taylor und seinen Kumpanen gefunden wurde. Was er ihr antun mochte,
bevor er sie der Polizei übergab. Und… was mit James geschehen würde.
Der Kloß in ihrer Kehle und die Schmerzen in ihrem Magen
rivalisierten gehörig mit ihren Kopfschmerzen, als sie sich bewusst machte,
dass ihr seltsamer Retter mit ziemlicher Sicherheit entweder an dem
Schlangenbiss oder an der Aufmerksamkeit sterben würde, die durch sie auf ihn
gelenkt wurde. Und überlebte er all das wider Erwarten, wanderte er ins
Gefängnis.
Es half rein gar nichts, dass die resignierte Stimme in
ihrem Hinterkopf darauf hinzuweisen versuchte, wie eindeutig ein geständiger
Frauenmörder dorthin gehörte. Der Gedanke war für Sherry einfach unerträglich.
James war irgendwann bewusstlos geworden, nachdem sie
sein bein nach seinen Anweisungen ruhig gestellt hatte. Noch immer war sie sich
nicht sicher, weswegen er sie die Wunde weder hatte aussaugen noch aufscheiden
lassen. In Filmen wurde das immer getan.
Sie hätte ihn gern gefragt. Oder einfach nur seine
beruhigende Stimme gehört, wie sie halb verächtlich, halb verwundert ‚Püppi‘ zu
ihr sagte. Irgendetwas…
Stattdessen hörte sie plötzlich etwas anderes.
„Ich bin wirklich gespannt auf die Geschichte“, erklärte
eine ruhige Stimme in ihrem Rücken aus heiterem Himmel.
Sherry fuhr herum und erblickte im Zwielicht eine Gestalt.
Ohne auch nur nachzudenken, sprang sie zu der schlafenden Gestalt von James,
tastete nach seiner Pistole und richtete das überraschend schwere Stück Metall
dann mit zitternden Händen auf den Fremden. Und der ließ ihr alle Zeit der
Welt, diese komplexe Aufgabe zu bewältigen und rührte sich nicht.
„Kommen sie nicht näher!“, drohte Sherry und versuchte
die Waffe ruhig zu halten.
Es gelang ihr jedoch ebenso wenig, wie ihre Stimme unter
Kontrolle zu bringen, die erschreckend schrill klang.
„Das könnte sich als fatal für unseren Freund erweisen“,
lautete die Antwort. „Er ist zwar zäh wie Leder, aber die Schlange sieht
ziemlich groß aus und hatte sicherlich einiges an Gift für ihn.“
„Woher…?“
„Aus deinem Funkspruch. Und weil sie dort liegt.“
„Bist du der Freund?“, fragte sie daraufhin
überflüssigerweise und ließ zu, dass die Pistole dem immer stärker werdenden
Zug der Schwerkraft nachgab.
„Man nennt mich Gebrochene Feder“, gab der Fremde zurück
und trat langsam näher.
Wenn es so etwas wie waschechte Indianer überhaupt gab,
dann hatte Sherry hier einen vor sich. Er hätte beinahe in einem Western
mitspielen können, wenn man Jeans und Hemd gegen etwas passendere Kleidung
austauschte.
Mit offenem Mund starrte sie den Mann an, der von Anfang
dreißig bis Ende fünfzig so ziemlich alles sein konnte. Dann gaben auch ihre
Beine der Schwerkraft nach und sie setzte sich auf den Boden.
„Du siehst aus, als hättest du zu viel Sonne abbekommen“,
vermutete der Mann noch während er sich über James Bein beugte und die
Bissstelle in Augenschein nahm.
„Das ist nicht so wild“, wiegelte sie ab. „Wie geht es
ihm?“
„Es ist eine Weile her, seit das jemand wissen wollte“,
murmelte der Indianer und sah sie kurz durchdringend an. Etwas lauter fügte er
hinzu: „Er wird leben. Aber er wird auch leiden. Er wird Hilfe brauchen…“
„Was kann ich tun?“, fragte sie sofort, ohne auch nur
eine Sekunde darüber nachzudenken.
„Für den Anfang kannst du mir helfen, ihn so vorsichtig
wie möglich auf die Trage zu legen, die mein Pferd zieht. Und dann wirst du es
führen, während ich sein Motorrad schiebe, denke ich.“
Eine Viertelstunde später waren sie unterwegs und erst da
wurde Sherry bewusst, dass sie völlig unbekleidet war. In ihrer Aufregung und
bei all den Schmerzen in ihrem Kopf war es ihr erst aufgefallen, als sie
feststellte, dass sie keine Schuhe anhatte.
Für einen langen Moment waren ihr alle möglichen Gedanken
durch den Kopf geschossen, ohne das sie einen davon hätte greifen können. Es
war nicht richtig, aber es störte sie im Moment auch irgendwie kaum. Und so
langsam, wie sie sich bewegten, machte es ihren Füßen ohnehin nichts aus. Und
da der Indianer so wirkt, als würde er es noch nicht einmal bemerken…
Sie zuckte mit den Schultern und beschloss, dass James
Leben wichtiger war als eine Pause.
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[...]
mmh die geschichte hört sich sehr viel versprechend an.
AntwortenLöschenund ich muss gestehen ich mag den humor sehr den du in deine geschichten einfliessen läst ;)
bin gespannt wie immer wie es weiter gehen wird
*rückt die schutzbrille wieder zurecht und verfällt wieder in die rehäuglein starre*
Hi Levi
AntwortenLöschenFreut mich, das der Anfang gefällt. Und das mit dem Humor gefällt mir natürlich besonders... ;-D
Wie es weitergehen wird...?
Das ist tatsächlich die Frage, weil ich momentan nocht keine Ahnung habe... ;-)
Hallo Mike
AntwortenLöschenDa ich keine Ahnung habe was ein Hostname ist und wo ich ihn herbekomme schreibe ich anonym
super Story halt ein echter Coyote
Ich hoffe auf eine Fortsetzung!
Gruss Helmut euroairliner@web,de
Hi Helmut
LöschenDu müsstest einfach als Name/URL kommentieren können. Dann gibst du Helmut als Namen und deine Mailadresse als URL an und es sollte ohne Probleme funktionieren.
Was die Story angeht: Ich suche noch nach dem Zugang dazu, wie ich es mir vorstelle. Ich weiß nicht, ob ich hier nicht in eine Richtung gegangen bin, die ich eigentlich blöd finde. Ich weiß manchmal hinterher einfach nicht, was ich eigentlich davon halte...
Mal schauen...
Hey, obwohl ich eigentlich für heute nichts mehr von dir lesen wollte, bin schon längst völlig überflutet davon, lächel, hat mich diese Geschichte gepackt sozusagen. Schwierig finde ich, dass James fünf Frauen ermordet hat - ist mir irgendwie zuuu krass, passt nicht zu ihm, bzw. zu dem, wie du ihn beschrieben hast - dafür müsste es eine sinnvolle Auflösung geben, die diese Tat in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt, z. B. dass diese fünf Prostituierten eines seiner Kinder getötet haben, eine 15 jährige Tochter hat er ja wohl noch, aber es könnte eine Schwester oder ein Bruder das Opfer gewesen sein - fällt mir spontan so ein.... Dann muss es einfach eine perfekte Rache für den geben, der Sherry dort in der Wüste hat sitzen lassen, oh ja!!! Sie ist erwachsen, warum sollten die beiden nicht auf mehr oder weniger vielen Umwegen einen Weg zueinander finden können...träum...??? Tja und ein Happy End möchte ich auch irgendwann, lächel, das wäre perfekt, denn ich finde seine Figur sowas von genial!...Keine Ahnung, ob du damit etwas anfangen kannst, mich würde es natürlich sehr freuen! Gruß Nachtwind
AntwortenLöschenEin Schelm, wer Überflutungen metaphorisch betrachtet. Naja... pff... bin ich halt eine Schelm. ;-D
LöschenOffen gesagt freue ich mich besonders über dieses Feedback, weil es mir offensichtlich erscheint, dass die Geschichte bei dir genau die Saite angeschlagen hat, die ich im Sinn hatte.
Vereinfacht gesagt ist deine Zwickmühle quasi genau die, in der sich die Protagonistin auch befindet, wenn sie erst einmal soweit darüber nachgedacht hat. Die Sache mit den Prostituierten ist sicherlich ein Angelpunkt. Und eine allzu moralisch richtige Auflösung (wie du sie angedeutet hast) ist zu einfach.
Malloy IST gefährlich und ich denke, wäre er das nicht, wäre der Reiz geringer, oder? ;-)
Jedenfalls gehen unsere Gedanken in ähnliche Richtungen und ich mag genug Abstand haben, um mir die Geschichte mal wieder vorzunehmen.
No promises, though... ;-)
grins, aha, als Schelm siehst du dich also auch, finde ich richtig nett! Stimmt, das Wort "Überflutet" ist auch soetwas, was man "Teekesselchen" nennen könnte, was ich früher gerne gespielt habe.
AntwortenLöschenKlar ist Malloy gefährlich, aber für mich nur dann, wenn es schwerwiegende Gründe für ihn gibt und da er die bestehenden Gesetze schon einmal übertreten und gemordet hat, ist die Schwelle nun wohl geringer - er hat weniger zu verlieren, denke ich...
Da er sich aber auch anders verhalten kann, ich mag ihn, auch seinen Humor, sehr anders sogar, habe ich automatisch über einen Grund nachgedacht
Es könnte sich später auch heraus stellen, dass er z. B. eine Krankheit hat, die der Auslöser dafür war/ist, wie ein Hirntumor, ein Hirngerinsel usw...
Der Indianer hat gesagt, dass es lange her ist, seit jemand sich Sorgen um ihn gemacht hat... Es könnte die Mutter seiner Tochter gewesen sein - wer weiß, was mit ihr passiert ist... In meiner Fantasie gab es schon mehrere Möglichkeiten für ein Happy End, lach
Ich brauche das, grade bei dieser Geschichte! Was davor noch so alles passieren könnte, dafür habe ich leider nicht die passenden Fantasien momentan, lächel
Danke dir für deine Antwort und wünsche dir noch Unmengen von Ideen und Fantasien!
Ist aber ein schmutziger Teekessel, von dem wir da reden. Streng metaphorisch natürlich... ;-D
LöschenInteressant, dass du für Malloy eine Krankheit aufbringst. Daran hatte ich noch nicht gedacht, aber ich speichere das mal für irgendwann ab. Mal sehen.
Möglichkeiten hats in dieser Geschichte viele und ich werde mich auf jeden Fall mal wieder dran setzen. Du hast mich deutlich zum wieder drüber nachdenken gebracht, was automatisch die Chancen erhöht, dass ich mich dem erfolgreich widme. Gut gemacht. ;-D
Schmutzig- findest du?
AntwortenLöschenOh prima, freut mich wirklich sehr, wenn ich einen kleinen Denk- oder Richtungsanstoß geben konnte! Müsstest mein Strahlen jetzt mal sehen, lach
Wunderbar, vielen Dank! Gruß Nachtwind
Bisher gefällt mir die Story sehr gut. Auch oder gerade die angedeutete Zerissenheit des männlichen Chars, auf der einen Seite symphatisch und auf der anderen ein Mörder... da kann man (du! :) ) was draus machen.
AntwortenLöschenFreu mich schon sehr auf eine Fortsetzung.
NB: endlich mal keine Monstertitten
Ja, ich wälze das nebenbei immer wieder im Kopf herum, weil ich neben den bereits angedeuteten Aspekten hiervon auch wirklich Lust auf ein gewisses... 'Easy Rider' Feeling habe. Muss am hereinbrechenden Sommer liegen... :-D
LöschenWas die Oberweite angeht: Irgendwie habe ich die ja selten besonders groß, auch wenn ich versuche, es variabel zu halten. ;-)